Papiertheater, was ist das?

In der o.a. Bildergeschichte bekommt ein Knabe ein Papiertheater geschenkt. Im nächsten Bild  bearbeitet er Bühnenbilder und Figuren, um im dritten  in einer fulminanten Aufführung unter Einsatz einer blind geladenen Pistole, einigem Lärminstrumentarium und Feuerwerk die Schlussszene des englischen Klassikers “ The Miller And His Men“ abzubrennen, Mobiliar und Gardinen nicht verschonend. Das Publikum ist hingerissen, wenn auch nicht alle in die gleiche Richtung. Die Bewunderung einer jungen Dame ist dem Theaterdirektor aber gewiss. Das ist Papiertheater??? – Ja, das ist Papiertheater, wenn auch nur eine von vielen möglichen Spielarten…..

Entstanden ist es zu Beginn des  19.Jahrhunderts in Deutschland und England, erwachsen aus der Theaterbegeisterung der bürgerlichen Schichten. Erhältlich war es in Form von Ausschneidebogen, aus denen man ein möglichst exaktes Modell  einer Guckkastenbühne erstellte, wie sie in den größeren Städten und an den Höfen üblich waren. Dazu gehörten neben der Technik natürlich auch Bühnenbilder und Akteure. Alles aus Papier, auf Pappe geklebt, ausgeschitten und und mit Draht oder Leiste führbar gemacht. Beleuchtet wurde natürlich auch, mit Kerzen oder Öllampen, Anlass für zahlreiche Theaterbrände im Wohnzimmer. Gesprochen und wahrscheinlich auch gesungen wurde live und die Hausmusik tat ein übriges um eine Vorstellung von 10-40 Minuten Länge zu beleben. An Erfindung der Tonaufzeichnung gab es Schallplatten speziell für das Kinder- oder Haustheater, wie es auch genannt wurde, und natürlich auch selbst erstellte komplette Playbacks, die zu Aufführung abgespielt wurden.

Figurenführung im Papiertheater
Figurenführung von oben und von der Seite
Offenes Spiel ohne Bühnenportal (Proszenium) aus unserer Produktion CARMEN

Papiertheater, wie wir es heute erleben, ist deutlich vielfältiger. Nach seiner Wiederbelebung in den siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde aus dem ehemaligen deutschen Haus- oder Zimmertheater, das eigentlich nur im privaten Rahmen stattfand, zunehmend ein öffentliches Theater. So wurde in einer Buchhandlung in Lübeck ab 1977 regelmäßig öffentlich gespielt, 1986 fand ein  Festival in Kiel statt und seit 1988 findet bis heute regelmäßig das Papiertheatertreffen in Preetz statt. Auch in Frankreich, England und in New York fanden Festivals statt. Dadurch wurde eine Weiterentwicklung des Papiertheater angestoßen, die immer wieder neue Formen und Formate entstehen läßt. Heute kann man sagen, dass aus dem ehemaligen Haus- oder Kindervergnügen eine eigenständige Kunstform entstanden ist, die immer wieder neue Blüten sprießen läßt.